Aus dem Herzen der Dolomiten

Im Südtiroler Ort Sexten entstehen die Lanzinger Harmonikas – seit mehr als 20 Jahren

7. Juni 2023

Lesezeit: 6 Minute(n)

Im Jahr 2000 entschloss sich der Südtiroler Musikant Peter Lanzinger, in seinem Heimatort Sexten mit dem Bau von Steirischen Harmonikas zu beginnen. Die „Lanzinger Harmonikas“ kommen also aus dem Herzen der Dolomiten. Die Geschichte des Unternehmens begann aber schon 20 Jahre vor der Jahrtausendwende: Bereits 1980 machte sich Peter Lanzinger mit dem Vertrieb und Verkauf von Steirischen Harmonikas selbstständig. Manuel Lanzinger, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Silvia heute als Nachfolger seines 2019 verstorbenen Vaters Peter leitet, hat sich Zeit für ein Interview mit diatonisch genommen. Wir sprachen über die musikalische Tradition in der Familie Lanzinger, die Philosophie, die hinter den Lanzinger Harmonikas steckt, und über die Besonderheiten der Instrumente aus Südtirol.
Text und Interview: Eva Geiger

Die Firma Lanzinger kann auf eine wirklich lange Geschichte zurückblicken – zuerst als Vertrieb und seit mehr als 20 Jahren auch als Hersteller von Steirischen Harmonikas. Woher kommt diese Liebe zum Instrument? Ihr Vater war ein begeisterter Musikant, richtig?

Da muss ich etwas weiter ausholen: Mein Vater Peter Lanzinger war Jahrgang 1943 und wurde somit mitten in den Zweiten Weltkrieg hinein geboren. Er stammt aus einer kinderreichen Familie, sein Vater war Bergführer und Schuster, seine Mutter kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt. Als mein Vater dann im Alter von zehn Jahren das Akkordeonspiel erlernen wollte, gab es natürlich hierfür kein Geld. Einige Jahre später kam er nach Bozen, um seine Berufslehre zu absolvieren, hatte aber den Traum vom Akkordeonspielen nie aufgegeben. An den Wochenenden half er bei verschiedenen Bauern im Bozner Raum als Erntehelfer aus und konnte sich so nach harter Arbeit sein erstes eigenes Akkordeon kaufen. Somit stand nun dem Unterricht nichts mehr im Wege. Später gründete er eine eigene Gruppe, Die Oberpuschtrabuibm, mit denen er auch im Rundfunk zu hören war. Sein Herz schlug dabei immer für die Musik der Brüder Slavko und Vilko Avsenik, also für die Oberkrainermusik.

Welche Rolle hat die Musik für Sie als Kinder gespielt? Sind Sie in den Betrieb quasi „hineingewachsen“?

Ich bin mit der Volksmusik, speziell mit der Oberkrainermusik, aufgewachsen. Wenn wir im Auto waren, durften die alten Aufnahmen vom Trio Avsenik aus den 50er-Jahren nicht fehlen. Die zahlreichen Begegnungen mit Größen wie Christian Margreiter, Peter Moser, Franz Posch, Slavko Avsenik, Franz Mihelic, Joze Burnik und Helmut Freydl – um nur einige zu nennen – haben mich stark geprägt. 2017 habe ich mein Studium der Steirischen Harmonika bei Prof. Stefanie Unterberger am Konservatorium Monteverdi in Bozen abgeschlossen, was natürlich ein wichtiger Schritt in meiner musikalischen und beruflichen Entwicklung war.

Zu diesem Studium hat mich mein Harmonikalehrer Günther Hopfgartner ermutigt, und er hat mich auch mit vollem Einsatz auf diese Reise vorbereitet.

Manuel Lanzinger leitet heute gemeinsam mit seiner Schwester Silvia
den Betrieb.

Mich würde interessieren, wie es zum Entschluss kam, nach Jahrzehnten des Vertriebs selbst Instrumente zu bauen.

Wer meinen Vater kannte weiß, dass die wirtschaftlichen Aspekte nicht im Vordergrund standen. Jeder Hersteller verfolgt ein Ziel, in seinen Augen ein perfektes Instrument zu produzieren. Wir hatten eigentlich immer schon ein offenes Ohr für Neuerungen und Verbesserungen, nur ist es in einem Vertrieb nicht so leicht diese umzusetzen, da der Firmeninhaber vielleicht andere Ambitionen hat. Als mein Vater den Vertrieb zweier Harmonikamarken hatte, haben wir natürlich auch den Service und Reparaturen übernommen. Dabei wollten wir nicht nur Fehler beheben, sondern auch das Instrument generell verbessern. Man kann sagen, dass eigentlich dort die erste Idee zur eigenen Produktion entstanden ist: Durch die Eigenmarke konnten wir die vielen Inputs unserer Kunden sowie unser Know-how einbringen und die Lanzinger Harmonika ins Leben rufen. 

Wie wurde die Produktion aufgesetzt? Gab es Startschwierigkeiten – oder wurde die eigene Marke sofort gut angenommen?

Natürlich war dies ein großer Schritt und es war auch nicht immer leicht. Man darf dabei nicht vergessen, dass wir zu diesem Zeitpunkt den Weltvertrieb des Marktführers aufgaben, zu dessen Erfolg mein Vater stark beigetragen hat. Unser Glück war es aber, dass viele den Namen Lanzinger schon kannten und gleich in den Anfangsjahren auch viele Profimusiker auf unsere Instrumente setzten. 

Hat sich die Produktion über die Jahre verändert? Wurden Anpassungen und Ideen am Instrument umgesetzt, oder ist es gerade die traditionelle Bauweise, die die Lanzinger Harmonikas ausmacht?

Ich glaube, die Mischung zwischen Tradition und Innovation macht es aus. Generell ist die Steirische Harmonika mit ihren 193 Jahren noch ein sehr junges Instrument, weshalb viele Musiker und Hersteller noch immer nach der perfekten Tonbelegung suchen. Wir haben in den letzten Jahren speziell die Bauweise der Bassseite, hier vor allem bezogen auf Stimmstöcke und Gehäuse, verbessert. Mir war es wichtig, einen präsenten Bass zu haben, welcher sich mit der Diskantseite harmonisch ergänzt, diese aber nicht übermäßig dominiert. Dabei konnten wir auf altes Wissen sowie physikalische Gesetze zurückgreifen. Durch innovative Maschinen lassen sich heute viel präzisere und komplexere Bauteile produzieren, was zu einem neuen Klangerlebnis führt. Man kann also sagen: In erster Line sind uns der Klang sowie das Spielgefühl wichtig. Es nützt das schönste Instrument nichts, wenn es nicht klingt.

Auch heute noch versuchen wir das Instrument stetig zu verbessen, und gerade arbeiten wir auch an einer Neuerung bei den Akkordeons.

Im Zuge meines Masterstudiums habe ich noch besser verstanden, was eine optimale Spielbarkeit ausmacht.

Wo steht die Firma heute? Ihr Vater, der Gründer und langjährige Leiter, ist ja vor einigen Jahren verstorben. War es schwer, den Betrieb zu übernehmen? Was hat sich seitdem verändert?

Mein Vater bzw. sein Schaffen wird sicher auch in vielen Jahren noch eine große Rolle für die Firma Lanzinger spielen. Dank seines Enthusiasmus und seiner Weitsichtigkeit können wir heute auf eine erfolgreiche Firmengeschichte zurückblicken. Ich denke aber, wie in jedem Betrieb kann ein Generationenwechsel zu einer positiven Entwicklung und Umstrukturierung beitragen. Neben mir arbeitet ja auch meine Schwester Silvia im Büro mit. So hat sich neben der Produktion vor allem im Bereich Vermarktung extrem viel gewandelt. Hatten wir in den vergangenen Jahren vorwiegend Kunden aus der Oberkrainerszene, so freut es mich, nun auch Liebhaber der alpenländischen Volksmusik in der „Lanzinger-Welt“ willkommen zu heißen.

Harmonikagehäuse in der Lanzinger-Werkstatt

 

Wo spüren Sie das unternehmerische und musikalische Vermächtnis Ihres Vaters besonders stark? Was hat Sie als Unternehmer geprägt?

Wenn ich so nachdenke, hat mein Vater vor allem den Klang geprägt. Ich glaube, ich habe von ihm auch die penible Genauigkeit geerbt, was im Bereich der Stimmung kein Nachteil ist. Die Kundenzufriedenheit war und ist für uns das A und O, dies hat mich als Unternehmer geprägt. Mundpropaganda ist die beste Werbung, denn ein zufriedener Kunde wird eine Marke selbstverständlich auch weiterempfehlen …

Wie klingt die typische Lanzinger Harmonika? Für welche Musik ist sie am besten geeignet – falls man das sagen kann?

Eigentlich haben wir zwei große Sparten: zum einen die Oberkrainer- und zum anderen die Volksmusiksparte. Beide Produktlinien statten wir mit italienischen Qualitätsstimmen der Firma Voci Armoniche aus.

Im Groben unterscheiden sich die beiden Produktlinien vor allem durch das Tremolo, also die Schwebung. Außerdem ist die Oberkrainerlinie in Hochglanzausführung und die Volksmusiklinie in Natur- bzw. Massivholz mit Mattlackierung gefertigt.

Somit kann man sagen: Unsere Produkte eignen sich sowohl für die Oberkrainerbühne als auch für die Tanzlmusik.

Eine Bassmechanik wird eingestellt. Die Griffstöcke stehen parat.

Haben Sie ein Lieblingsmodell?

Ganz klar die Modellreihe Alma! Durch die Verwendung von heimischen Massivhölzern ergibt sich ein besonderes Klangerlebnis. Außerdem fühle ich mich mit meiner Heimat Südtirol und im Speziellen mit meinem Dorf Sexten, das inmitten der Dolomiten liegt, eng verbunden. Die Liebe zur Natur und den Bergen habe ich wahrscheinlich von meinem Großvater, dem Sextner Bergführer, mit auf den Weg bekommen. Alma ist für mich der Inbegriff von Nachhaltigkeit, Heimatverbundenheit, Tradition und Innovation.

 

Das Modell „Alma“ in einer Fichtenholz-Ausführung

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Für Ihr Unternehmen – und die „Szene“? Mehr Veranstaltungen, mehr Vielfalt, mehr Tradition?

Covidbedingt haben sich in den letzten zwei Jahren viele bekannte Gruppen verabschiedet, was in meinen Augen sehr schade ist. Nicht nur, dass ein Stück Kulturgut verloren geht – auch haben diese Gruppen keine Gelegenheit gehabt, sich offiziell von ihren Fans zu verabschieden. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass viele junge Solisten und Gruppen weitermachen und uns viele neue Klangerlebnisse bescheren. Wer die Szene aber beobachtet, sieht auch, dass es an Nachwuchs nicht fehlt. Wichtig ist nun, den Künstlern wieder eine passende Bühne zu bieten und somit die Volksmusik weiterleben zu lassen. Ich persönlich wünsche mir, dass ein Spagat zwischen Tradition und Innovation gefunden wird. So wie auch wir es in unserem Betrieb versuchen.

Weitere Infos zur Firma und den Instrumenten:

Lanzinger Musikinstrumente
Sonnwendweg 20/2 · 39030 Sexten
Tel.: +39 474 710 235
Mobil: +39 348 01 30 970
info@lanzinger-harmonika.com
www.lanzinger-harmonika.com

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